Franzosenzeit

Der Kampf um den Übergang über die Elbe

Nachdem Davoust sich in Harburg mit Bandamme vereinigt hatte, besetzte er auch Stade und Cuxhafen, ließ die Mündung der Elbe sperren und hemmte so allen Verkehr nach Hamburg.

So war das ganze linke Ufer der Niederelbe wieder im Besitz der Franzosen, die sich nun zum Übergange nach dem rechten Ufer anschickten. Zwar versuchte General v. Wallmoden, der Mitte April den Oberbefehl über die verbündeten Truppen an der Niederelbe übernommen hatte, Davoust von Dömitz her in die Flanke zu fallen; da ihm aber nur 600 Mann zur Verfügung standen und der Kronprinz von Schweden seine Hilfe sandte, musste er vor der Übermacht der Franzosen zurückgehen, die nun ungehindert ihren Angriff auf Hamburg fortsetzen konnten.

Für die Franzosen kamen zwei Übergänge über die Elbe in Frage, nämlich von Hoopte nach Zollenspieker und von Harburg nach Wilhelmsburg. Bei Hoopte beherrscht das hochgelegene rechte Ufer das linke, während bei Harburg das Umgekehrte der Fall ist. Der Hauptangriff musste also hier geschehen. Gleichzeitig besetzten aber die Franzosen auch Hoopte, um Angriffe der Verbündeten von Zollenspieker her zu verhindern.

Wilhelmsburg war von zwei Bataillonen Hanseaten, den kielmannseggeschen Jägern und zwei Kompanien der mecklenburgischen Leibwache besetzt, außerdem standen hier zwei leichte Kanonen, eine Haubitze und ein 24 Pfünder; auf dem Grasbrook waren zwei Kanonen aufgefahren, und auf der Elbe lag ein Kutter mit sechs Kanonen. Aber schon am Tage nach der Räumung Harburgs fiel das Fahrzeug in die Hände der Franzosen. Es war bei dem niedrigen Wasserstande auf den Grund geraten. Da schlichen die Franzosen heran, machten die schlafende Wache nieder und schleppten das Schiff in den Harburger Hafen. Es wurde dann zwar mit dem auf Wilhelmsburg stehenden 24 Pfünder zerschossen, aber für die Verteidigung der Insel war der Verlust sehr empfindlich.

Man begann auch, mit der auf Wilhelmsburg stehenden Batterie das Harburger Schloss zu beschießen, aber ohne großen Erfolg, da die Granaten nicht zündeten. Zweckmäßiger wäre jedenfalls gewesen, das Feuer nach dem Harburger Hafen und auf die Schleusen zu richten, hinter denen die Franzosen Flöße zum Übergange nach Wilhelmsburg zimmerten.

Tettenborn hatte bei der Preisgabe Harburgs und dem Rückzuge nach Wilhelmsburg alle Fahrzeuge nach Hamburg schaffen lassen. Trotzdem war es den Franzosen gelungen, gegen 20 Fahrzeuge zum Teil weit von der Este und Buxtehude her zusammenzutreiben. Da ging am 4.Mai eine Abteilung Mecklenburger auf 6 Böten nach der von den Franzosen besetzten Insel Finkenwärder und bemächtigte sich nach lebhaften Gefecht mehrerer Kähne. In der Nacht vom 5. auf den 6.Mai holte eine Kompanie Mecklenburger Garde 21 Fahrzeuge vom Harburger Ufer und setzte die von den Franzosen zum Rudern gezwungenen Leute in Freiheit.

Die Gefechte auf Wilhelmsburg, am 9. und 12. Mai 1813

An den folgenden Tagen vollendete Bandamme in aller Stille im Harburger Hafen die Ausrüstung der Schiffe und Flöße und brach dann in der Nacht vom 8. auf den 9.Mai aus der Schleuse hervor, um an drei verschiedenen Punkten auf Wilhelmsburg zu landen. Eine sehr dunkle Nacht begünstigte das Unternehmen. Es kam weiter hinzu, das damals der Harburg gegenüberliegende Teil der Insel die sogen. Harburger Schweineweide noch unbedeicht und durch einen leichten Flußlauf von Wilhelmsburg getrennt war. Die Batterie stand auf dem Grünen Deiche. Das Vorland war nicht besetzt, auch durch keine Posten gesichert. So konnten die Franzosen ungehindert landen. Sie durchwarteten das Wasser und überfielen die Batterie. Die Bedienungsmannschaft hatte noch soviel Zeit, die Geschütze zu vernageln, und zog sich dann zurück.

Damals führte noch keine Strasse durch die Insel; die schmalen Wege wanden sich in vielen Krümmungen, und die Franzosen konnten in den von Gräben durchschnittenen und mit Buschwerk bestandenen Gelände nicht vorwärts kommen. Dazu richteten die mit der Gegend vertraut gewordenen hannoverschen Jäger gut gezielte Schüsse in die feindlichen Haufen. So kam trotz der großen Übermacht der Franzosen und obgleich Bandamme von Altenwerder über den Köhlbrand, Neuhof und den Reiherstieg Verstärkung sandte, das Gefecht bei der Mühle zum stehen, Gegen 10 Uhr kamen den Verbündeten zwei Kompanien Mecklenburger und ein Bürgerbataillon zu Hilfe, die den Feind im Sturmschritt angriffen. Auf dem Deiche entstand ein mörderischer Kampf, wobei die Hanseaten allein 30 Tote und 60 verwundete hatten. Nun hielten die Franzosen nicht mehr stand; sie traten den Rückzug an, den sie durch anzünden der Windmühle und einiger anderer Gebäude zu decken suchten. Die Verbündeten verfolgten sie bis an die südliche Seite der Insel und machten viele Gefangene. Dann aber musste die Verfolgung halt machen, weil der Feind am jenseitigen Ufer der Elbe drei Geschütze aufgefahren hatte, die die Einschiffung deckten. um 1:30 Uhr war Wilhelmsburg vom Feinde wieder verlassen, aber die Batterie war zerstört. Der Verlust der Franzosen an Toten und Verwundeten wird auf 300 Mann angegeben, der der Verbündeten betrug 150 Mann.

Unter den Schwerverwundeten befand sich auch der junge v. Düring. Er berichtet über seine Teilnahme an diesem Gefecht folgendes: "Die Anordnungen zur Verteidigung der Wilhelmsburg waren höchst mangelhaft. Am 8.Mai lagerten die Jäger bei einem einzelnen Haufen hinter dem Hauptdeiche, während die Feldwache bis ans Ufer hinter einem Sommerdeich vorgeschoben war, wo auch zwei russische Geschütze standen. In der Nacht vom 8. zum 9.Mai kamen die Franzosen über die Elbe, die Russen gingen zurück. Graf Kielmannsegge hatte nur zwei Kompanien Jäger. Es dunkelte noch, und ich erbot mich freiwillig vorzugehen, um zu ermitteln, welchen Weg die Franzosen genommen hatten. Auf meinen Zuruf sprangen viele Jäger vor, von denen ich aber nur 12 mitnahm und rechts auf dem Deiche hineilte, während Kielmannsegge den Rückzug links über das Amt Wilhelmsburg nach der Veddel antrat. Bald gewahrte ich dunkle Menschenmassen vor mich auf und am Deiche, und da ich nicht wusste, ob es Freund oder Feind war, musste ich hinan und erhielt auf 30 Schritte Entfernung feindliches Feuer, das aber über unsere Köpfe wegging, während meine Jäger besseren Erfolg hatten. Ich führte eine Büchsflinte und hatte glücklicherweise noch nicht geschossen, als ich mich von drei mit dem Bajonett auf mich eindringenden Franzosen umringt sah; zwei erschoss ich, der dritte war im Begriff, mich mit dem Bajonett zu durchbohren, da ward er von einem holsteinischen Jäger mit dem Kolben niedergeschlagen. Wir sprangen nun über einen breiten Wassergraben, kamen glücklich aus dem feindlichen Feuer und ereichten die Nachhut der Jäger. Als Graf Kielmannsegge alles wieder geordnet hatte und durch Mecklenburger Grenadiere verstärkt war, gingen wir zum Angriff vor. Es entwickelte sich ein lebhaftes Gefecht, und wir drangen frisch vor. Ein Streifschuss am linken Arm beirrte mich nicht, aber eine andere Kugel streifte unter der linken Hüfte den Knochen und drang teilweise splitternd ein. Sie hatte mich umgeworfen, und wenn ich auch alsbald wieder aufsprang, konnte ich doch das Bein nicht aufsetzen und musste mich zurücktragen lassen. Einige schwer verwundete Jäger und ein halb Dutzend Gefangener und verwundeter Franzosen nahm ich mit nach Hamburg (hier ließ er sich die Kugel aus der Wunde ziehen und folgte bereits am 20.Mai im Wagen den Jägern).

Das Gefecht auf der Veddel, 12.Mai 1813

Abb. 1

Gefecht zwischen, der hanseatischen Legion, den hannoverschen Jägern, der Bürgergarde, den Mecklenburgern sowie den Dänen auf der einen Seite und den französischen Besatzern auf der anderen. Dieses Gefecht fand statt am 13. März 1813 auf der Veddel

Tettenborn hatte sich an die dänische Regierung um Hilfe gewand. Diese wollten gern das Unglück der Belagerung und Einnahme durch die Franzosen von Hamburg abwenden. Daher machte sich der dänische Befehlshaber in Altona Haffner am Morgen des Gefechts in Wilhelmsburg auf, um mit einem Boote nach Harburg zu fahren; aber er kam unter die kämpfenden Truppen und wurde zweimal gefangen genommen, bis er schließlich zu Bandamme nach Harburg gelangte. er schlug diesem einen Waffenstillstand vor, wonach die Elbinseln für neutral erklärt werden sollten. Über die Verhandlungen hatten keinen Erfolg, und Bandamme antwortete am anderen Tage, er wolle keine Vorschläge mehr hören.

Nun erklärten sich die Dänen bereit, Tettenborn zu unterstützen. Dieser hatte am 10.Mai den südlichen Teil von Wilhelmsburg räumen lassen. An dem Tage war nämlich das Gerücht entstanden, die Franzosen seien mit 7000 Mann in Billwärder eingefallen. Da hatte man die Sturmglocken geläutet, Generalmarsch geschlagen und dann die Truppen zurückgezogen, damit sie nicht vom Feinde abgeschnitten wurden. Am folgenden Tage räumten die Verbündeten die Insel ganz und hielten nur noch die Veddel besetzt. In der Nacht gingen Franzosen mit 2000 Mann nach Wilhelmsburg hinüber.

Bereits am 12.Mai befahl Tettenborn einen allgemeinen Angriff auf Wilhelmsburg. Das Unternehmen war aus verschiedenen Gründen verfehlt und musste deshalb kläglich scheitern. Man hatte nichts dagegen unternommen, dass der Feind sich mit großen Streitkräften auf Wilhelmsburg festsetzte, hatte auch die Stärke des Feindes nicht erkundet. Für den Angriff waren keine Hilfsmittel beschafft worden. Die Schanze auf der Veddel war nicht fertig; Fahrzeuge, womit die Verbindung mit Hamburg aufrecht erhalten und der Rückzug gedeckt werden konnte, waren nicht besorgt, trotzdem sie mit leichter Mühe zu erhalten gewesen wären. Die Angriffstruppe war zu schwach, Reserven fehlten ganz. Es mangelte an einer einheitlichen Ordnung des Gefechts. Tettenborn führte auch den Oberbefehl nicht selbst, sondern hatte damit den Oberleutnant v. Beaulieu beauftragt, der bis zum Feldzuge hannoverscher Oberforstmeister gewesen war und dann eine fast nur aus Förstern bestehende Jägerabteilung errichtet hatte.

Der Angriff wurde mit 1200 Mann unternommen, nämlich dem 1. Bataillon Hanseaten, 200 holsteinischen Jägern, 200 Mecklenburgern und 150 Mann der Bürgerwehr. Gleichzeitig sollte das 2. Bataillon Hanseaten von Georgwerder her einen Flankenangriff auf den Feind unternehmen, dann nach Wilhelmsburg übersetzen und die Rückzugslinie der Franzosen bedrohen.

Der erste Angriff auf die in Wilhelmsburg stehenden leichten französischen Truppen gelang zwar, sie wurden zurückgeworfen und verfolgt. Da stellte sich Bandamme selbst mit frischen Truppen den Verbündeten entgegen, und so tapfer diese fochten, konnten sie doch vor der Übermacht nicht standhalten und mussten sich nach der Veddel zurückziehen. Dort sollte ein auf dem Deiche stehendes Geschütz den Rückzug decken, allein es war so unglücklich aufgestellt, dass es Freund und Feind zugleich treffen und daher untätig bleiben musste. Die Schanzarbeiter, die noch während des Gefechts an der Arbeit waren, warfen die Spaten weg, liefen fort und vergrößerten die Verwirrung. Nun artete der Rückzug in wilde Flucht aus, das Geschütz ging verloren, die Schanze blieb unbesetzt, jeder suchte sich zu retten, so gut er konnte, und alle bedrängten, über die Norderelbe zu entkommen. Bandamme hatte unterdes seine Schützen von beiden Seiten auf den Deichen vorgeschoben, die den Verlust der Verbündeten bedeutend vermehrten. Fahrzeuge zum übersetzen waren nicht da; viele suchten sich durch schwimmen zu retten und ertranken, hunderte gerieten in Gefangenschaft.

Dem 2. Bataillon war es nicht besser ergangen. Es war über die Norderelbe nach Wilhelmsburg vorgedrungen und hatte anfangs nur geringen Widerstand gefunden. Dann aber stellte sich ihm die Brigade Reuß entgegen. Vor dieser Übermacht musste es zurückgehen. Das geschah zunächst bis an die Elbe ohne große Opfer. Da aber für die Überfahrt zu wenig Fahrzeuge und gar keine Deckungsmittel vorhanden waren, erlitt es ganz bedeutende Verluste an Toten, Verwundeten und gefangenen.

Beide hanseatischen Bataillone waren ungefähr 1600 Mann stark gewesen und zählten nach dem Gefecht nur noch 600 Mann. Die beiden Führer waren in Gefangenschaft geraten. So endete das unglückliche Gefecht am 12.Mai, weswegen man gegen Tettenborn die schwersten Vorwürfe erhoben hat. Mit Wilhelmsburg war nun auch die Veddel verloren, und damit hatte Hamburgs Freiheit den Todesstoß erhalten.

 

Quelle: "Vor 100 Jahren", Erinnerungen an die Franzosenherrschaft an der Niederelbe 1803 bis 1814 von Gustav Bosenick, 1910

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